Entdeckungsreise

Es sind Orte an denen sich nichts Verbindliches außer dem Versprechen, von hier nach dort zu kommen, festmachen lässt.

19.01.2021

Dagmar Keller und Martin Wittwer im Interview

Seid ihr selbst Pendler*in?

Eigentlich nicht. Unsere Arbeit findet immer an neuen Orten statt und ist mehr durch längere Aufenthalte an einem bestimmten Ort geprägt als durch regelmäßiges „pendeln“. Während wir commuters fotografiert haben, sind wir jeden Tag von unserem Gastatelier im Multimedia Art Museum Moskau zum Smolensker Bahnhof „gependelt“.  

Was fasziniert euch an (Bus-)Bahnhöfen?

In unserer Arbeit hat uns seit jeher der vom französischen Anthropologen und Ethnologen Marc Augé definierte „Unort“ interessiert. (Bus-)Bahnhöfe gehören zweifellos in diese Kategorie.

Es sind Orte an denen sich nichts Verbindliches außer dem Versprechen, von hier nach dort zu kommen, festmachen lässt. Man liefert sich dem Mechanismus des Ortes nach dem Betreten vollständig aus. Ähnlich dem Benutzen einer Rolltreppe.

Wiederholtes Nutzen solcher Orte, durch Pendler*innen zum Beispiel, setzt Automatismen in Gang, die die Wahrnehmung des Ortes in den Hintergrund treten lassen. Stattdessen richtet sich die Aufmerksamkeit auf Gedanken oder auf eine Kommunikation über das Smartphone – woanders hin also.

Dies zu beobachten fasziniert uns, insbesondere vor dem Hintergrund bestimmter sozialer oder gesellschaftlicher Kontexte.

Die Bilder aus der Serie commuters sind an dem Smolensker Bahnhof in Moskau entstanden. Unter anderem fahren die Züge von dort in die Satellitenstädte um Moskau herum, in Richtung Westen. Nach einem langen Arbeitstag in der überteuerten City fahren die Arbeitnehmer*innen nicht selten nochmals zwei Stunden nach Hause.

Die Teilung der Gesellschaft in wenige sehr wohlhabende und eine mit bescheidenen Mitteln ausgestattete Mehrheit, bildet sozusagen den Hintergrund für unsere Serie commuters.

Wie viele Stempel sind in euren Reisepässen? 

Es ist uns immer wichtig, dass wir genügend Zeit an einem für uns neuen Ort verbringen können um dort neue Arbeiten entwickeln und umsetzen zu können. Insofern sind unsere Pässe nicht übervoll mit Stempeln, auch hinterlassen nicht alle Auslandsaufenthalte, die uns beeindruckt haben, ihre Spuren in unseren Pässen, aber es finden sich meist Spuren davon in unserer Arbeit.

Biografie

  • * 1972 in Donaueschingen
  • Studierte an der Akademie der Künste in Düsseldorf und an der Hochschule für Medien in Köln
  • Lebt in Düsseldorf und anderswo
  • * 1969 in Lausanne, Schweiz
  • Studierte an der Akademie der Künste in Düsseldorf
  • Lebt in Düsseldorf und anderswo