Bon Voyage!
Been there, Gespräche mit Modibo 2007
08.02.2021
Ein lyrischer Beitrag zu Via Lewandowsky – Never been there
von Birgit Bodden, Literaturbüro Euregio Maas-Rhein
Am Niger
Vielleicht ist es ein Traum,
in den die Piroge gleitet, rosé und sonnengelb,
auf der spiegelglatten Fläche der Erinnerung
welche die Fischer als schwarze Silhouetten
auf die Netzhaut malt.
Still fließt das Wasser gemächlich fort,
auf einer Reise ins Uferlose.
Zeit wird diffus und konturenlos
Der Niger, so heisst es, gibt eine Seele
nie wieder frei.
Als er ein Kind war, wollte der Bruder
lhn ertränken im Fluss, wieder und wieder
hat er sich vom Grund abgestoßen, nach Luft geschnappt,
um gleich darauf
wieder unterzugehen.
Eine Frau stand am Ufer,
die hat es gesehn,
hat geweint und geschrien,
den Jungen am Ende
halbtot aus dem Wasser gezerrt.
Die Frau war Faro, die Wasserfrau
halb Fisch, halb Mensch, hat sie ihn
mit ihren Wasserarmen umfangen, hinabgezogen,
ihm ihren Atem eingehaucht
und schließlich ans sandige Ufer gelegt.
Sie wohnt im Fluss, geht manchmal an Land,
verwandelt in eine schöne Frau,
die Peulfrauen sind die schönsten,
kauft ein auf dem Markt,
verdeckt ihr Gesicht und niemand darf ihr
niemals in die Augen sehn.
Jetzt lebt er selbst , so sagt er und schaut
auf den flirrenden Horizont,
halb im Wasser und halb auf dem Land,
bringt nach altem geheimen Brauch
Opfer, dass Faro nicht zürnt.
Das Wasser scheint schwarz,
wenn die Nacht anbricht.
Im Strudel unter der glatten Haut
wo ein unruhiger Sog die Wellen kraust,
verbirgt sich Faro im Niger.
Im Dogon Land
Noch legt sich der bittere Geschmack von Gras und Gin auf die Zunge.
Noch pocht der Herzschlag der Hände auf Holz, im Trommelfell der Rhythmus der Stößel
im Mörser wird die Hirse gestampft, rauh klingt der Schrei der Esel,
im Gepäck die Kolanuss, unser Geschenk für die Alten der Dogon.
Wir kauen mit ihnen diese Frucht vor den Hütten aus Lehm und Stroh.
Mit den Ahnen aus der Totenwelt leben sie hier unter einem Dach, unter dem Himmel,
der immer noch trägt, alte Geschichten weitererzählt
von Yurugu, dem Blassfuchs, dem Zaubertier, von seinen Höhlen im Totenreich,
aus dessen Erdbau Leben entsteht.
Er war der Beginn und die kommende Zeit, Urahn der Menschen, sah Unglück voraus.
Dann ging er weg und zeigt sich nicht mehr. Und die Alten lasen die Zukunft jetzt
aus den Spuren des tanzenden Fuchses.
Im Jägerhaus hingen Grisgris und Schädel von Vögeln und Füchsen,
man ging auf die Jagd nach dem Hühnerdieb mit Schrotgewehr
und Fallen, und mit den Grisgris machten die Jäger sich unsichtbar,
jetzt haben sie Flinte gegen Kalaschnikow getauscht, Menschenjagd, Jägermiliz, wer
gegen wen, zur Unterstützung der Regierung Angriffe auf Dschihadisten, Ausrottung
der Peul, Völkermord, Dogonjäger gegen PeulHirten, Massaker von Ogossagou, die
Miliz gilt als unkontrollierbar (Jan 2021)
Gao (Sept. 2020)
Unter der Wüstensonne
Bei lebendigem Leib,
sagt man
Haben sie ihn
So höre man
Weil er die Regeln nicht hielt,
weil er sich widersetzt habe,
vielleicht weil er gesungen habe
die Asche hat niemand begraben
Ausstellung
Bon Voyage!
Reisen in der Kunst der Gegenwart
13. November 2020 – 16. Mai 2021