Entdeckungsreise

Es wäre gut immer zu wissen, wie tief wir in die „Machine Zone“ geraten sind.

26.01.2021

Mareike Foecking im Interview

Wie war deine Vorstellung von Silicon Valley, bevor du das erste Mal dort warst?

Ich hatte einen Ort erwartet, der sehr modern ist, mit vielen modernen Gebäuden, in dem die Zukunft zu spüren, atmen, sehen ist. Tatsächlich ist das Silicon Valley eher vorstädtisch. Es reiht sich ein kleiner Ort an den anderen und alles ist sehr „suburban“. Liest man die Palo Alto Daily News, so liest man, neben explizit das Valley betreffenden Problemen, zum Beispiel die vielen Menschen, die in Wohnwagen leben und Wasser benötigen, auch von typischen Problemen einer Kleinstadt. Dies kontrastiert stark mit dem, was hinter den Mauern der Firmengebäude stattfindet und weltweit Einfluss auf unser tägliches Leben, auch hier, hat, denken wir an Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Algorithmen und künstliche Intelligenz.

Was hat dich am meisten beeindruckt im Silicon Valley?

Am meisten haben mich die Vertreter*innen verschiedener Social Justice Movements, die ich in kleineren Veranstaltungen und größeren Podiumsdiskussionen erlebte, beeindruckt, in ihrer Kraft und ihrem Optimismus sich für die Belange von benachteiligten Menschen und gegen Ungerechtigkeit einzusetzen und dadurch für gesellschaftliche Veränderung zu kämpfen und deren Botschaft dabei kompromisslos, aber immer voller Liebe und Hoffnung war.

Eine von ihnen war Tarana Burke, die Begründerin des Me-Too-Movements. Ausgehend von ihren eigenen traumatischen Erfahrungen hat sie einen Weg gefunden, anderen zu helfen, indem sie sichtbar macht, wie ein subjektives, mikropolitisches Ereignis auch eine makropolitische Bedeutung hat und Veränderung nur angestoßen werden kann, wenn dies sichtbar wird und sich viele Menschen dabei zusammen tun.  

Auch haben mich die „Raging Grannies“ beeindruckt, eine Gruppe von Seniorinnen, alle über 70 oder 80 oder sogar 90, die ich in Palo Alto traf, wo sie jeden Freitag an einer großen Kreuzung standen und mit bunten Plakaten demonstrieren – für den Erhalt von Medicare, gegen „racial injustice“, für den Respekt vor der Mutter Erde, um ein Bewusstsein für den Klimawandel anzustoßen und für saubere Luft und gegen Autos. Ihre Demonstrationen und Aktionen finden auch in anderen Kontexten und an anderen Orten im Silicon Valley statt. 

Du porträtierst häufig auch Menschen. Gibt es jemanden, den du besonders gerne einmal fotografieren würden?

Das ist eine interessante Frage, die Fotograf*innen immer wieder gestellt wird. Früher hätte ich vielleicht auch ein oder zwei Namen genannt, jetzt würde ich eher sagen, mich würde es interessieren, jemanden zu treffen und dann eventuell ein Foto zu machen, aber vorrangig wäre mein persönliches Erlebnis mit der Person, was sich dann aber auch wieder an anderer Stelle in meiner Arbeit zeigen könnte, es müsste nicht primär in dem Portrait von dieser Person sichtbar sein oder stofflich werden.

Eine meiner beeindruckendsten Begegnungen im Silicon Valley war ein Vortrag von Daniel Ellsberg und die Möglichkeit ihn nach dem Vortrag zu sprechen. Das war vor allem deshalb interessant, da ich drei Tage vor meiner Abreise nach Kalifornien den Film „The Post“ gesehen hatte, in dem er von einem Schauspieler dargestellt wird. Ihn zu treffen, seine Hingabe zu erleben, uns vor der Gefahr eines atomaren Kriegs zu warnen, fand ich in dem Moment wichtiger, als ihn zu fotografieren. Auch bin ich unsicher, ob ein Portrait, das ich in dem Moment gemacht hätte, wirklich abgebildet hätte, wer er ist und was sich dort an dem Tag, während seiner Präsenz, ereignet hat. Manchmal ist es vielleicht auch gut, jemanden nicht zu fotografieren und das Erlebte anders sichtbar zu machen.

Mensch oder Maschine?

Ist eine Maschine nicht immer die Verlängerung eines Menschen? Oder die Auslagerung von Fähigkeiten, die der Mensch nicht ausreichend erledigen kann? So wie ein Bagger oder ein Kran? Oder auch ein Computer? Stellt sich die Frage nicht erst dann, wenn tatsächlich die Maschine selbst entscheiden kann, ob sie in Betrieb ist – und ist nicht der Mensch immer noch „in Charge“ so lange er oder sie den Stecker ziehen und die Maschine vom Stromnetz nehmen kann?

Problematisch ist bei dieser Frage, dass die Unterscheidung immer schwieriger wird, denken wir an Chatbots. Es gibt immer mehr Momente, in denen wir nicht mehr sicher sein können, mit einem Menschen zu kommunizieren. Es wäre gut, wenn dafür eine Lösung gefunden wird, damit wir immer wissen, wie tief wir in die „Machine Zone“ geraten sind. In die begeben wir uns ja ohnehin beim Scrollen im Internet gerne freiwillig, sind uns dann dessen aber bewusst, einigermaßen bewusst, auch wenn fleißig daran gearbeitet wird, dass wir das vergessen. 

Im wirklichen Leben spreche, lache, esse und tanze ich lieber mit Menschen als mit Maschinen.

© Mareike Foecking, Foto: Carl Brunn

Biografie

  • * 1966 in Burgsteinfurt
  • Studierte von 1986–1987 an der Kunstakademie Münster, von 1987–1994 an der Kunstakademie Düsseldorf
  • von 1988–1989 lebte sie in London
  • lebt in Düsseldorf